Die Frau für die wichtigen Tore

Lucia Ondrusova, die Slowakin beim FC Neunkirch, sorgt nach langer Verletzungspause beim NLA-Leader offensiv wieder für Furore.

Es ist eine Geschichte, die aus der Feder eines Telenovela-Autors hätte stammen können. Ort des Geschehens ist der Kunstrasenplatz Wyler in Bern. Dort ist am 17. April der Cup-Halbfinal zwischen den YB-Frauen und dem FC Neunkirch angesetzt. Die Hauptdarstellerin heisst Lucia Ondrusova. Nach ihrem verheilten Kreuzbandriss feiert sie in ein fulminantes Comeback. Sie wird in der 70. Minute eingewechselt – und erzielt in der Nachspielzeit den 2:1-Siegestreffer. Grössere Glücksgefühle sind kaum möglich. Vor allem nicht für jemanden, der acht Monate verletzungsbedingt pausieren musste. «Ich fühle mich super», sagt sie heute. Zum Gespräch beim Sportplatz Randenblick kommt sie mit dem Fahrrad. Ondrusova ist im FCN die Frau für die wichtigen Tore. Schon vor einem Jahr hatte sie das unter Beweis gestellt – auch damals in einem Cup-Halbfinal.

Mit zwei Treffern war sie in Basel massgeblich an Neunkirchs erstmaligem Einzug ins Endspiel beteiligt. Ondrusova mag die Partien, in denen es um alles oder nichts geht. Um Sein oder Nichtsein. «Deswegen spiele ich Fussball», erzählt die Slowakin. Und genau jetzt steht wieder ein solcher Schlager an. Genauer gesagt sogar deren zwei. Beide Male trifft der FCN auf Zürich. Zuerst in der NLA-Finalrunde, dann eine Woche später im Cupfinal. Seit Saisonbeginn führt Neunkirch die NLA-Tabelle an. Sie hoffe und glaube, dass das Team den ersten Platz verteidigen könne, sagt Lucia Ondrusova. Der FCZ verspüre einen grösseren Druck, ist sie sicher. Ob sie die gesamten 90 Minuten durchspielen kann, wird sich zeigen. Die Affiche fordert allen ein hohes Mass an Laufbereitschaft ab – das steht schon jetzt fest. Nach einigen Teileinsätzen absolvierte Ondrusova beim 5:0-Sieg gegen Luzern erstmals wieder eine komplette Partie.

«In den letzten zehn Minuten war ich fertig», erinnert sich die Mittelfeldspielerin ans vergangene Wochenende. Sie spürt in solchen Momenten die Nachwirkungen ihrer langen Pause. Nichtsdestotrotz ist die slowakische Internationale eine, die offensive Akzente setzt. Lucia Ondrusova ist zweikampfstark, ballsicher und sorgt für Torgefahr. Fussball geht für die ausgebildete Lehrerin Hand in Hand mit Leidenschaft. Steht sie auf dem Rasen, vergisst sie alles. Sie selbst spricht sogar von einer Art «Medikament». Nur konnte sie während ihres dritten Jahres in Neunkirch selten daran nippen. Der im August gegen Basel erlittene Kreuzbandriss zwang sie in die undankbare Rolle der Zuschauerin. Und trotzdem sagt Ondrusova: «Es war eine gute Erfahrung für mein ganzes Leben.» Auf dem langen Weg zurück setzte sie sich kleine Etappenziele. Das Gehen ohne Krücken etwa – oder später das Joggen.

Aus dem Umfeld des FCN, vom Staff und ihren Teamkollegen erfuhr sie in dieser Zeit grosse Unterstützung. Sowieso ist Lucia Ondrusova der kollektive Ansatz des Fussballs wichtig. «Alleine Sport treiben könnte ich nicht. Ich brauche Leute um mich herum», erklärt die fröhliche 29-Jährige. Wenn sie einen Ausgleich benötigt, singt sie gerne. Zu Hause in der guten Stube hat Ondrusova ein Mikrofon – und begleitet sich auf der Gitarre gleich selbst. Seit sie im Klettgau spielt, hat sie sich nicht nur fussballerisch weiterentwickelt. Fünf Sprachen beherrscht sie mittlerweile. Ein Aspekt, der ihr im internationalen Ensemble entgegenkommt. Noch immer liegt der Gewinn des Doubles für den FC Neunkirch im Bereich des Möglichen. Und vielleicht sorgt Lucia Ondrusova wieder für Stoff, der sich bestens als Hollywood-Ver­filmung eignen würde.

Quelle: Schaffhauser Nachrichten (Pascal Oesch)

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